16 April 2011

Extra Time


...ja, ich bin schreibfaul geworden. Die Tage hier sind einfach viel zu kurz, und es gibt viel zu viel zu tun. Nach meinen ursprünglichen Plänen wär ich ja inzwischen schon wieder in Deutschland, und auch wenn ich einige von euch doch hin und wieder sehr vermisse, bin ich sehr froh, noch ein paar Wochen in Australien genießen zu können anstatt Hals über Kopf ins neue Semester zu stürzen. Die größten Änderungen gibt es derzeit an meiner Wohnsituation: In einer Woche zieh ich nach Glebe, ein Stadtviertel direkt an der Innenstadt, sodass ich diesen Ausblick auf Sydney dann öfter genießen kann:


Ich zieh in eine WG mit zwei Aussies und einer Französin, zwei von denen ziehen aber vermutlich noch vor mir aus, sodass ich auf diesem Wege wohl auch noch ein paar neue Leute kennenlernen werde. Zwar brauch ich dann immernoch eine gute Stunde, um auf Arbeit zu kommen, aber am Wochenende (oder auch unter der Woche) bleiben mir die Nightride-Erlebnisse erspart. Die Nachtbusse sind nicht nur immer überfüllt, sondern fahren auch gerne mal einfach an der Haltestelle vorbei, wenn sie voll sind - der nächste kommt dann eine Stunde später und ob der dann anhält, steht auf einem anderen Blatt...

Mardi Grass

Meine letzten Wochen in Padstow waren und sind aber auch recht angenehm, weil meine Vermieter den gesamten April im Urlaub in China verbringen und mein ägyptischer Mitbewohner und ich das Haus für uns alleine haben - eine nicht zu unterschätzende Freiheit, inzwischen habe ich auch herausgefunden, wie man die Stereoanlage trotz chinesischer Fernbedienung und Knöpfe bedient.


Das bringt uns mal wieder zu meinem Lieblingsthema, Musik. Weiterhin sind hier praktisch jedes Wochenende 1-2 interessante Gigs, die meist im fast schon familiären Rahmen stattfinden, sodass man auch viele bekannte Leute trifft. Den besten Auftritt den ich seit langer Zeit (nicht auf Australien beschränkt) miterleben durfte haben am vergangenen Wochenende The Herd hingelegt. Nachdem der mir vorher nahezu unbekannte Künstler Joelistics (s. oben) die Menge (mich eingeschlossen) schon für sich begeistern konnte, folgten 70 Minuten Hits mit einer fast schon verschwenderischen Bühnenbesetzung: Zwei der besten MCs des Landes (Urthboy & Ozi Batla), die charismatischste Sängerin (Jane Tyrrell) sowie eine eingespielte und bestens aufgelegte Band, u.a. mit DJ, Akkordeon, Akustik- und E-Gitarre, usw. Die etwa 800 Leute in der ausverkauften Halle wussten es zu schätzen und dankten es mit Tanzen, Lachen, Singen, Schreien, Springen und jeder Menge guter Laune. The Herd haben einen Hip-Hop-Background, lassen aber alle möglichen Elemente in ihre Musik einfließen, ohne krampfhaft alternativ oder “anders” klingen zu wollen. Außerdem schaffen sie es perfekt, politische Themen sehr kritisch darzustelllen und dabei nicht in die nerdige & verbitterte Verschwörungstheoretiker-Ecke abzurutschen. Das fantastische “2020”-Video hatte ich bereits in einem früheren Blog verlinkt, wer etwas mehr hören und sehen will, schaut am besten “The King is Dead” (derzeit aktueller denn je und live mit neuen Texten über Mubarak & Gaddafi versehen) oder das Redgum-Cover “I was only 19”, welches das Schicksal junger Soldaten thematisiert. Völlig unpolitisch ist dagegen die aktuelle Single “The Sum of it all”, die ihr im Elefant-Traks-Shop oder bei iTunes kaufen könnt. Auch Joelistics hat eine neue Single draußen, “Days” könnt ihr hier kaufen und anhören, den Preis bestimmt ihr selbst. Gebt den Jungs eine Chance, ich bin sicher, dass es auch vielen von euch gefällt, die sonst wenig mit meinem Musikgeschmack anfangen können.


Ich hatte mir ja auch vorgenommen, nicht zuviel Kram anzusammeln, da ja alles früher oder später ins Fluggepäck passen muss. Insbesondere wollte ich keine CDs kaufen, aber so richtig will das nicht klappen...


Den ganzen März über fand in Sydney das Platform Hip Hop Festival statt, das neben der Musik vor allem die anderen Aspekte der Hip-Hop-Kultur in den Vordergrund rücken wollte. Ich war u.a. bei einem Filmabend und einem Breakdance-Event, bei dem die deutsche B-Boy-Legende Storm in der Jury saß und ein paar Kostproben seines Könnnens zwischen den Battles einstreute.


In Redfern fand zudem ein ganztägiges Konzertprogramm im Rahmen von Platform Hip Hop statt. Redfern ist das Zentrum der Ureinwohner Australiens in Sydney und hat 2004 durch die Redfern Riots weltweit für traurige Schlagzeilen gesorgt, ziemlich genau an der Stelle, wo nun die Bühne stand. Viele Gebäude sind heruntergekommen oder ganz zerstört (was nicht im Zusammenhang mit den Riots steht), aber man wurde sehr herzlich empfangen, es gab gute Musik und kostenloses, köstliches Essen. Wie leider viele andere Orte auch ist ein Teil Redferns gerade im Begriff, “hip” zu werden und von Investoren aufgekauft zu werden, sodass die Mietpreise steigen und eingeborene Australier sich das eigene Land nicht mehr leisten können.

The Block

Auf Arbeit läuft weiterhin alles wunderbar, wir hatten in den letzten Wochen viele interessante Projekte und Ende letzter Woche kam eine sehr erfreuliche Meldung von Apple - die von uns implementierte App “Cheese & Wine” wurde für Australien als “App der Woche” ausgewählt und entsprechend prominent im App Store präsentiert, zudem wurde sie auch in anderen Kategorien im australischen und amerikanischen Store verlinkt, weitere Aktionen sind in Planung.


Etwas Sorge hat uns Anfang der Woche eine App bereitet, die inzwischen problemfrei in einem australischen Museum läuft und eine Videodatenbank von Kriegsveteranen optisch ansprechend präsentiert. Wegen eines kleinen, aber doch erheblichen Bugs stürzte das Programm nach 2-3 Suchen ab, Patrick konnte die Fehlerquelle schließlich lokalisieren, eine Stunde bevor die 4 iPads und ein Server in Richtung Museum gefahren wurden... hier ein Bild vom letzten Intensivtest vor der Auslieferung:


Ein weiteres Highlight war ein iPhone-Training-Course/-Workshop, den Patrick Anfang des Monats in unserem Bürogebäude gehalten hat. Ich durfte zwei kleine Gastpräsentationen halten, die bei den Teilnehmern denke ich sehr gut angekommen sind - Anfang Mai findet dann der zweite Kurs statt.


Am vergangenen Donnerstag fand bei Google ein monatliches User-Group-Treffen statt. Diese Treffen gibt es weltweit in vielen großen Städten, allerdings ist Sydney einer von wenigen Standorten, wo diese Treffen direkt in den Google-Büros stattfinden können. Trotz dieser tollen Gelegenheit, interessanten Vorträgen, kostenlosem Essen & Bier finden sich bei den Treffen meistens nur 15-20 Leute ein (jedenfalls nach meiner Erfahrung, ich war bei 3 Treffen), was mich etwas wundert, aber nicht weiter schlimm ist. Letzte Woche war “Ligthning Talk Night”, was bedeutet, dass möglichst jeder Teilnehmer auch selbst eine 5-10minütige Präsentation halten soll. Das hat vermutlich einige Leute abgeschreckt, führte aber zu einer kleinen, interessierten Runde und netten Unterhaltungen danach im Pub um die Ecke, mit Blick auf Darling Harbour. Außerdem war es eine nette Erfahrung, einmal hinter einem Google-Rednerpult zu stehen, auch wenn nur 6-7 Leute zuhören. Wenn man dann noch Lob vom Chef dieser Treffen bekommt, hat sich die Überwindung schon mehr als gelohnt.

So, ich denke ihr seid nun wieder auf dem neusten Stand, das nächste Mal melde ich mich dann aus meiner neuen Wohnung!

Hagi